Als Teil einer Vorgängergeneration – und bald schon ein Auslaufmodell der Geschichte – bin ich ungenügend auf diese neue Welt vorbereitet worden.
Unser erster Fernseher war schwarzweiß. Das Telefon war orange, ein Relikt der 70er Jahre. Überhaupt bin ich in einer Dekade der farblichen Verfehlungen aufgewachsen. Mein Kinderzimmer war so grün und farbenfroh wie der Harzer Wald.
Was ist das Problem meiner Generation?
In einem Wort: Moral.
In der Kindheit und Jugend wurde uns eingetrichtert, sich nicht in den Vordergrund zu drängen. Das gehört sich nicht! Anderen in den Schatten zu schubsen, um selbst im Rampenlicht zu stehen.
Das haben nicht nur Eltern und Lehrer gepredigt. Nein, auch die Mitschüler haben dich dafür ausgelacht, wenn du dich selbst zu wichtig genommen hast.
Selbst in einer postchristlichen Welt herrschten noch immer die Tugenden der Demut und Bescheidenheit.
Ich stehe auch heute noch zu diesen Werten. Sie sind gut für die Gemeinschaft.
Auf Social Media steht die Welt allerdings auf dem Kopf. Bist du nicht laut, schrill und penetrant, dann wirst du nicht gesehen. Das ist das Gesetz der Lautstärke. In einer Flut von Beiträgen musst du dich abheben, sonst gehst du unter.
Das fällt meiner Generation schwer. Zwanzig Jahre Sozialisierung schiebt man nicht eben bei Seite.
Im Berufsleben gilt: “Tue Gutes und rede darüber”. Das klingt schräg in unseren Ohren. Eine gute Tat, die Lob ernten will, hat tatsächlich ein verdecktes Eigeninteresse. Das weiß jedes Kind. Aber es stimmt auch, dass es niemand erfährt, wenn du nicht darüber redest. So bekommst du nie eine Gehaltserhöhung.
So ähnlich ist es auch auf Social Media: Rufe hinaus, wie gut du bist. Zwickmühle: Tust du es, dann bist du ein Angeber. Tust du es nicht, dann wird es die Welt nie erfahren. Eigentlich schade?
Und so stehe ich stellvertretend für meine Generation und sage allen, die ein paar Dekaden jünger sind:
Gestatten, wir sind die Social Media Gehandicapten.