Legenden spinnen sich um den heiligen Franziskus. Vor 800 Jahren ging die Rede um, dass keiner das Evangelium predige wie er. Denn nur selten verwende er Worte.
“Show, don’t tell” im Mittelalter.
Es gibt tausend Regeln beim Schreiben. Die Forderung zu schweigen und zu zeigen ist die schwierigste von allen. Hier waltet wahre Kunst.
Dabei ist aller Anfang leicht. Anstatt “Er fror” schreibt man “Er zitterte und rieb sich die Arme.” Schon besser.
Danach wird’s steinig. Die großen Zeiger sind verdient die Picassos der Taschenbücher.
Ein Freund bat mich, seinen Text zu verbessern.
“Dem alten Georg war dieses schreckliche Verhalten mittlerweile gleichgültig.”
Nun, show don’t tell.
“Die Leute beäugten Georg wie ein Tier aus dem fernen Asien im Zoo. Und er blickte zurück, als schaute er durch sie hindurch. Die Gedanken der anderen sind uns verschlossen. Aber vielleicht ließ sich erraten, dass die Menschen für Georg ebenso wenig existierten wie er für sie. Und wenn er lange starrte, als atmete er nicht, dann waren vermutlich die Stadtbewohner die Tiere in seinem Zoo.”
Schweige und zeige! Das ist nicht nur das Werkzeug der Schreiber. Es ist Lebensphilosophie. Gelebte Kunst.
Sprich nicht, dass du mich liebst. Lass es mich fühlen. Dass ich erzittere. Schweig und lass mich schmecken. Lass mich riechen. Lass mich vibrieren. Predige das Evangelium mit Duct Tape über den Lippen.
Es ist schwieriger, als man denkt. Aber es lohnt sich.
Schweige und zeige!