Mach mir eine Szene!


Gestern Abend brach die Hölle los – ein Schrei folgte dem nächsten, und ich konnte einfach nicht anders, als zurückzuschreien. Doch das war erst der Anfang. Ihre Wut kannte keine Grenzen; ihr Gesicht war rot vor Zorn, und ich wusste nur allzu gut, was das bedeutete. Instinktiv wandte ich mich ab. Schon wieder hämmerte die Nachbarin von unten mit einem Besen gegen die Decke, verärgert über unser spätes und lautstarkes Gezanke.Streit? Das Wort scheint zu mild für das, was wirklich geschah. Es war ein regelrechter Kampf, ein Schlagabtausch. Wie soll man es sonst nennen, wenn sie mir einen Becher nach dem anderen an den Kopf schleuderte und sogar unseren verängstigten Kater packte, um ihn auf mich zu werfen? Ja, genau deshalb trage ich nun sechs tiefe Kratzer im Gesicht. Bremsspuren. Doch nach mir hat sie nicht gefragt, nur ob dem armen Tier etwas passiert sei.


Wenn dies tatsächlich passiert wäre, würdest du dich noch lange an meine Schilderung erinnern. Man vergisst nicht, wenn Katzen zu Wurfgeschossen werden.

Beim Schreiben von Geschichten und Texten haben wir oft eine innere Bremse, die wir vermutlich nicht einmal bemerken – wir neigen dazu, alles zu verharmlosen und nicht zu sehr aufzubauschen. Im Gespräch würden wir einen Streit vielleicht als einfache Meinungsverschiedenheit herunterspielen, die in ein paar Tagen vergessen ist. Das ist eine Blockade, die es zu überwinden gilt, denn den fliegende Kater vergisst niemand so schnell .

Wir sind wohl alle mit der Forderung unserer Eltern aufgewachsen, bloß keine Szene zu machen. Dieses Verhalten ist so stark verinnerlicht, dass es uns beim Schreiben behindert. Doch hier gilt das Gegenteil: Mach mir eine Szene!

Probiere es gleich selbst aus: Nimm Stift und Papier und wirf mit Katzen, Hunden und Tellern. Schreie, schlage und schimpfe. Tue, was du willst, aber um Himmels willen, mach mir eine Szene!

Und dann berichte mir unten, wie es war.

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