„Es lässt sich nicht einfangen“, hauchte sie, „deswegen zieht es mich zu sich.“

Eine zierliche Erscheinung, umgeben von blondem Haar, das über ihre hohe Stirn fiel. Es war ein Spätnachmittag, und sie stand vor den Bäumen, als hätte sie gerade etwas vergessen und würde gleich umkehren, sobald ihr einfiel, was es war.

Der Campus von Bordeaux war nie für seine Schönheit bekannt. In meiner Erinnerung dominieren Betonbauten und Asphalt mit Rissen. Gegenüber, in der Nähe der Wiesen, ragte ein kubisches Bauwerk in einem verblassten Grün empor. Ironischerweise sollte ausgerechnet hier die Kreativität der Kunststudenten erblühen.

Schon zuvor hatte ich das blonde Mädchen in der schmalen Reihe von Studenten gesehen, die sich ins Gebäude begab. Doch wäre sie mir wahrscheinlich entgangen, hätte sie nicht zum dritten Mal vor den Bäumen gestanden. Aufgewühlt und verharrend. Ihre Hand bewegte sich wie von unsichtbarer Kraft geleitet, als würde sie das Geäst in Gedanken nachzeichnen.

Ich verweilte neben ihr. Als sie den Blick hob, sprach sie in einem sanften, tiefen Ton, dass es unmöglich sei, es zu zeichnen. „Was?“, fragte ich. „Das Licht.“ Dann wies sie auf die Blätter, die im strahlenden Tanz der untergehenden Sonne leuchteten. „Egal, wie sehr du dich bemühst, dieser Glanz lässt sich nicht einfangen. Immer wieder versucht, nie erreicht.“ Und so stand sie da, staunend. „Versuchst du es trotzdem?“, fragte ich. „Toujours.“ Und nach einer Weile fügte sie hinzu: „Et encore et encore.“ – Immer und immer wieder.

Es sollte dauern. Monate. Jahre. Die Übergänge der Erkenntnis sind fließend. Der Glanz ereignet sich auch an mir. Nicht in Bildern. In Worten. Vor meinem inneren Auge sah ich Sätze, die sich leuchtend formten. Das Unaussprechbare erschien wie jenes Glitzern in den Blättern, das dich zu sich ruft – toujours et encore. Auch wenn es sich entzieht. Und dennoch versuche ich es. Meine Hand bewegt sich wie in einem Zitterspiel, als wollten die Finger berühren, was der Stift nie beschreiben wird. Und dennoch: Wie jene blonde Studentin zieht es mich immer und immer wieder ins Licht.

Was ist Dein Licht?