Ich habe einen Kater, der heißt Jerry. Er hat mir ein neues Wort ins Ohr gemauzt.
Die Endung „-fikation“ beschreibt den Vorgang der Verwandlung oder Umwandlung. Ein Beispiel dafür wäre die „Klassifizierung“, die die Kategorisierung beschreibt, oder die „Konfiguration“ als Anordnung, sowie die „Modifikation“, die Anpassung von etwas. „Jerrifikation“ wäre demnach die Umwandlung meines Denkprozesses in den von meinem Kater Jerry.
Ich habe den starken Verdacht, dass dies mit mir passiert, wenn ich im Bett liege, ein Buch auf dem Bauch habe und mein Kater sich anschmiegt, um auch ein Stück der warmen Flauschdecke für sich zu beanspruchen. Da kann ich nicht nein sagen.
Dann dreht er sich einmal, zweimal, probiert verschiedene Positionen aus, bis er die passende Stelle gefunden hat. Dann kehrt die Ruhe ein, aber es ist eine besondere Ruhe. Jerry schläft nicht einfach nur, er ist vielmehr in seinem Element. Genau in diesem Moment lebt er sein bestes Leben, direkt neben mir. Ein wenig Flauschigkeit und ein wenig Körperwärme, das genügt ihm. Mehr braucht er nicht. Und ich spüre, wie der magische Prozess der „Jerrifikation“ beginnt, indem ich immer tiefer in seine Gedankenwelt eintauche.
Man wird es nicht glauben, aber es ist die Bewegung, die traditionell die Güte eines Lebens bemisst. Die alten Griechen glaubten nämlich, dass das Streben einen Mangel impliziert. Die Götter auf dem Olymp ruhten in perfekter Harmonie, denn ihnen fehlte nichts, daher benötigten sie keine Bewegung – genau wie Jerry.
Die andere Denkrichtung sieht das höchste Gut des Menschen in der Verwirklichung von Potenzialität zur Aktualität – durch Handeln, Schaffen und Erreichen.
Ich zögere noch, welcher Philosophie ich folgen möchte. Doch während die Wärme des kleinen, behaarten Körpers in meine Beine strömt, hat die „Jerrifikation“ längst begonnen. Vielleicht reicht das schon für ein erfülltes Leben: Eine flauschige Decke und ein Buch. Etwas zu essen. Etwas Gesundheit. Etwas Geld. Dann könnte auch ich so gelassen sein wie Jerry, ganz in meinem Element, ohne das ständige Streben nach mehr.
Je länger er neben mir liegt und schnurrt, desto mehr denke ich, dass ich eigentlich genug habe. Und wie Zeus auf dem Olymp und der Kater zu meiner linken werde ich ganz still, ganz ruhig – vollkommen jerrifiziert.
Hast Du auch schon genug oder bewegst Du Dich noch?