Das Zeitalter der Kugelmenschen


Der Mythos der Seelenverwandtschaft reicht 2.400 Jahre zurück in die Vergangenheit zu Platons “Symposion”. Kurz zusammengefasst: Ursprünglich waren die Menschen kugelförmig und vereinten sowohl männliche als auch weibliche Eigenschaften. Sie rebellierten gegen die Götter, woraufhin Zeus sie in zwei Hälften spaltete, um sie seelisch zu schwächen. Seitdem sucht eine Hälfte verzweifelt nach der anderen, um wieder ganz zu sein. Voilà, der Ursprung der Liebe.

Was für die einen romantisch klingt, knatscht anderen vielleicht kitschig in den Ohren. Aber was, wenn wir trotz aller Aufklärung tatsächlich immer noch wie Kugelmenschen denken? Nicht auf einer mythologischen Ebene, sondern rein rational.

Die Psychologin Esther Perel zeigt, wie die heutige Suche nach der “Richtigen Person” genau dasselbe tut wie die altbackene Idee der Kugelmenschen – nämlich dass all unsere Bedürfnisse in einer einzigen Person befriedigt werden sollen. Hier ist die Liste dessen, was diese Person alles sein soll:

– Unser bester Freund
– Unsere erotische Liebe
– Unser intellektueller Gesprächspartner
– Mutter oder Vater unserer Kinder
– Die Person, mit der wir uns nie wieder einsam fühlen
– Die Person, in deren Gegenwart wir uns immer wunderbar, sicher, frei, geliebt, gewollt, bewundert etc. fühlen
– Die Person, die uns Sicherheit gibt und zugleich Abenteuer
– Natürlich nicht zu vergessen: Transzendenz, das Mysteriöse, Spiel, Spaß und Spannung und der Zugang zum großen Unbekannten
– Ach ja, die Person soll auch noch eine Art Coach sein, die uns beim Erreichen unserer Ziele hilft

WOW!!! Tief ein- und ausatmen.

Platon hätte die Kugelmenschen nicht viel besser beschreiben können.

Esther Perel sagt, dass vor ein paar hundert Jahren ein ganzes Dorf die Aufgabe hatte, diese Liste zu erfüllen. Ehepartner, Freunde und intellektuelle Gesprächspartner waren drei verschiedene Personen. Transzendenz fand man in der Kirche. Sicherheit gab die Gemeinschaft. Und so weiter.

Heute soll eine einzige Person alles in allem sein.

Ich sage nichts mehr. Du kannst gerne unten deine Meinung schreiben.

Übrigens: Meine Frau nennt mich auch “Kügelchen”, aber das hat andere Gründe.

Bild von Freepik, prostooleh

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