Das Schlechthinnige



Inspiriert von einem Post auf LinkedIn über das „Ich kann“ als Motivation, habe ich mit ein paar Gedanken jongliert. Insbesondere zwei alte Filme.

8mm – Acht Millimeter (1999). Ich habe den Streifen nur ein einziges Mal gesehen und ihn nicht für besonders gut erachtet. Dennoch: Eine Szene hat mich begleitet. Nicolas Cage versucht, den Missbrauch und Mord eines kleinen Jungen aufzuklären. Dabei findet heraus, dass es eine kleine Gruppe älterer Herren war. Auf die Frage nach dem Motiv kam die Antwort. „Weil wir konnten.“

Geschockt: Weil das Können an sich kein Motiv darstellt. Aber was dann?

The Breakfast Club (1985). Einer meiner Lieblingsfilme. Darin ist eine Szene von zwei vormals verfeindeten Schülerinnen, bei der die eine der anderen beim Schminken hilft. Die eine fragt: „Warum bist du so nett zu mir?“ Die andere: „Weil du mich lässt.“ Anders: „Weil ich kann.“

Atempause, denn auch hier gilt dasselbe Prinzip wie oben, nur andersherum: Eine Tat ohne Begründung.

Wir haben oft kein Konzept vom schlechthin Guten oder Bösen. Vor vielen Jahren las ich einen Spiegelartikel über eine Frau in Italien, die einen wildfremden Mann „grundlos“ umgebracht hat und vom Gericht freigesprochen wurde. Warum? Es gab kein hinlängliches Motiv.

Philosophisch spricht man von dem schlechthin (absolut) Guten oder Bösen als dem Übergang von Potentialität zur Aktualität, und zwar ohne Grund. Anders: Ich tue etwas einfach nur, weil ich es kann.

Es gibt viele Motive. Selbstsüchtige. Weltverbesserische. Idealistische. Pragmatische. Ad infinitum. All diese lassen sich begreifen, egal wie nieder sie sein mögen.

Das Schlechthinnige schockt uns. Schleudert uns in die Sprachlosigkeit. Und ändert uns fundamental.

In Zeitzeugenberichten über den Zweiten Weltkrieg ist mir dieser eine Satz wiederholt begegnet: „Danach war er nicht mehr derselbe.“ Warum? Das grundlos Böse hinterlässt unauslöschliche Spuren.

Aber so auch das schlechthin Gute. Die alten Griechen sprachen von der Agape, der göttlichen Liebe, die grundlose und abgelöste Liebe, die das Gute tut, einfach nur weil sie es kann. Die ersten Christen waren so von diesem Konzept begeistert, dass sie es in ihren Schriften aufnahmen. Bis heute fasziniert dieses schlechthin Gute die Menschen. Denn wer es erfährt, ist danach nicht mehr der- oder dieselbe.

Das Schlechthinnige ist entweder die wahrhaft göttliche oder wahrlich teuflische Tat. Beide haben die Macht, die Welt massiv zu verändern.


Und jeder von uns muss sein Schlechthinniges selbst wählen.




Bild von vecstock auf Freepik

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