Die Welt nach dem Konjunktiv

Erwacht aus einem Winterschlaf wälzen wir uns vom Rücken auf die Seite, und die Finger hängen an einem Traum. Vielleicht schlafen wir wieder ein, und das große Schlummern geht weiter?

Vor dreißig Jahren feierte der Westen den Sieg über den Osten, und der Historiker Francis Fukuyama verkündete das Ende der Geschichte. Ich weiß noch, wie die Generation der 90er das Zeitalter der liberalen Werte und des selbstbestimmten Individuums zelebrierte, während die Mauer in großen Stücken bröckelte. So sollte es weitergehen, unsere Reise ohne Ende.

Vermutlich geht es einigen wie mir, wenn sie sich schlaftrunken die Augen reiben und tastend um sich greifen. Unsere Welt ist nun ein andere, und wir sind bloß von Dekade zu Dekade geschlafwandelt. Wer weiß, vielleicht werden die Geschichtsschreiber in hundert Jahren unseren sorglosen Zeitabschnitt als „Der Ausbruch des dreißigjährigen Friedens“ bezeichnen?

Wir brauchen ein neues Narrativ, um uns selbst besser zu verstehen, denn einschlafen wird man uns nicht mehr lassen. Niemand wollte wahrhaben, dass der Frieden stets nur der Konjunktiv des Krieges ist. Und wenn diese Poesie der Grammatik stimmt, dann betreten wir nun kollektiv das Zeitalter des Indikativs, unsere neue Wirklichkeit.

Verratet mir, wie ihr unsere neue Zeit bezeichnet, oder dösen wir einfach weiter?

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