Der Brite wird lieber schlechter Liebhaber geschimpft als ein humorloser Kumpel. Für die tiefe, deutsche Seele ist der Vorwurf der Oberflächlichkeit das denkbar schlimmste Stigma. Wen wundert da unsere Smalltalk-Legasthenie, wenn das Plaudern über das verflixte Wetter wieder mal zur Tortur wird?
Gegen den Shitstrom aufwärts schwimmend plädiere ich für ein Mehr an Oberflächlichkeit, denn, so behaupte ich, Smalltalk ist eine Kunst. Hut ab vor jenen, die Wildfremde mit kurzweiligen Gesprächen beglücken. Das verdient Respekt.
Auch ich habe das Abitur mit mangelhaften Oberflächlichkeitskenntnissen absolviert. Niemand lehrte mich, dass manchmal das Was das Wie übertrumpft. Es verhält sich wie beim Flirten, wo Wörter eher verführen als überzeugen und das Ungesagte schwerer wiegt als das Gesagt. Tonfall, Wortwahl, Gestik und Minenspiel verraten so manches über unsere Gemütsverfassung, Bildung und Persönlichkeit, selbst wenn wir bloß von Wind, Wetter und Wolken faseln. Unsere Stimme spricht stets mehr als das, was sie sagt. Und selbstverständlich gibt es Schauspieler in unseren Reihen, allerdings nur wenig gute.
Smalltalk ist Streichelkultur. In Hamburg verdient ein Moin ein Moin, und mehr braucht der Norddeutsche nicht zum Glücklichsein. Dabei ist die Gleichung supersimple: je mehr wir miteinander reden, desto freundlicher wirken wir. Und wenn wir uns noch mit einem guten Wunsch verabschieden, geht das runter wie Speiseöl. Smalltalk ist sozusagen der Freischein zum Nett-sein.
Selbstredend bekenne ich mich zur Grundtiefe unserer Dichter und Denker. Was wäre aber, wenn jede Oberfläche tiefer reicht, als sie scheint?